Leon hat geschrieben:Natürlich haben wir beide mit unserer Argumentation übertrieben, Myro. Aber ich entdecke in deinem und auch meinem Kommentar belegbare Fakten, die unsere unterschiedliche Meinung zum Thema bestätigen.
Ich habe in meiner Argumentation nicht übertrieben, sondern Fakten gebracht. Die kann ich bei Deiner Argumentation nicht entdecken. Deine Argumentation beruht auf einem Gefühl. Das sei Dir unbenommen, genau wie Deine Meinung, aber sie ist eben kontrafaktisch.
Leon hat geschrieben:Viele Adventure-Freunde warten sehnsüchtig auf Spiele wie Baphomets Fluch 6 , das Vermächtnis, Sherlock Holmes, Dracula, Gabriel Knight.....
Ob viele Adventure-Freunde auf hochwertige Adventures (wobei man den Begriff dann wohl noch genauer definieren müsste) warten, ist völlig unerheblich. Die entscheidende Frage ist doch, gibt es genug dieser Freunde, die sich auf hochwertige Adventures freuen, damit die Studios und die Verlage am Ende einen hinreichend guten Schnitt machen, um damit gesichert das nächste Projekt angehen und eventuell auch einen Flop aushalten zu können. Du scheinst das Gefühl zu haben, es gäbe genug davon. Ich denke, es gibt sie nicht und habe das mit den Beispielen der Entwicklungsstudios untermauert, die aufgegeben haben oder jetzt etwas anderes tun.
Dass The House of Tales nicht mehr existiert, habt Ihr ja im Nachgang noch diskutiert. Das letzte Spiel von Herrn Ganteföhr (meines Wissens bei Daedalic erschienen, die - siehe oben - mittlerweile auch andere Schwerpunkte setzen) hat ja nicht deshalb so eine merkwürdige graphische Darstellung, weil der Ganteföhr da so drauf abgefahren ist, sondern weil sie versucht haben, aus der materiellen Knappheit bei der Entwicklung ein künstlerisches Asset zu machen.
Frau Jensen hat sich sicherlich aus dem Remake von G.K. 1, das sehr gut gelungen ist, auch wenn Du es wegen seiner fehlenden deutschen Lokalisation natürlich nicht gekauft hast, auch mehr versprochen und Finanzen erhofft, um auf dem Sektor weiterzumachen. So viele Adventure-Freunde hat es dann aber wohl doch nicht gegeben, zumindest nicht in den Ländern, die entweder englischsprachig sind oder bei denen Untertitel nicht so ehrenrührig sind.
Das Gleiche scheint für Beyond a Steel Sky zu gelten. Ich habe auf jeden Fall nirgendwo gelesen, dass sich dieses durchaus hochwertig aussehende Spiel verkauft hätte wie geschnitten Brot, so dass Revolution Software sofort ein neues Projekt angekündigt hätte. Auch das Spiel ist mMn nicht auf Deutsch lokalisiert, aber das ändert nichts an der Richtigkeit meiner Argumentation, denn offensichtlich werden Adventures im englischsprachigen Umfeld zu wenig gekauft. Das heißt aber, dass sich deutsche Studios, die einen Teil ihrer Entwicklungskosten auf dem internationalen Markt wieder hereinholen wollen, dort auch nicht genügend Käufer finden.
Ich kann im übrigen noch mehr Beispiele bringen: Telltale Games gibt es nicht mehr. Ron Gilbert, dessen Name allein bei Adventure-Freunden schon für Interesse sorgen sollte, hat mit Thimbleweed Park kein hochwertiges Adventure veröffentlich, sondern eins, das aussieht, als nutze es die Scumm-Engine von Maniac Mansion. Offensichtlich war auch er der Meinung, dass die Adventure-Gemeinde ein kleiner Rest von Die-Hard-Fans ist.
Damit zu argumentieren, solche Spiele hätten sich vor 16 Jahren gut verkauft, zieht nicht. Vor 16 Jahren gab es noch nicht einmal Smartphones. Mit derselben Relevanz könnte ich sagen, dass man sich vor 25 Jahren mit Adventures noch dumm und dusselig verdienen konnte (siehe Sierra). Aber diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Das heißt nicht, dass es so bleiben muss und ich würde mir das auch wünschen, aber Du schließt ja aus dem von Dir gefühlten großen Reservoir von kaufwilligen Adventure-Freunden darauf, dass das Fehlen hochwertiger Spiele im Adventure-Genre Absicht sein müsse, weil die Entwickler/Verlage eben auch hingeschluderten Rotz verscherbeln können, was den Anbietern bösen Willen oder schlechte Absichten unterstellt. Den Schluss kann ich dann sogar nachvollziehen, aber ich halte die Prämisse für falsch.
Sauron hat "Life is Strange" ins Spiel gebracht. Wie gut sich das verkauft hat, weiß ich nicht. Leider kann ich auch nicht beurteilen, ob seine Einschätzung, dass das ein vollwertiges Adventure sei, auch in meinen Augen stimmt. Nach den Kritiken, die ich gelesen habe, hätte ich es eher für kein vollwertiges Adventure gehalten. Aber das wäre dann auch nur ein Gegenbeispiel in einem See von Beispielen, die meine Meinung stützen.
Mein Sohn hat sich im übrigen letztes Jahr Sherlock Holmes: The Devil's Daughter gekauft. Das ist ein Spiel, das starke Adventureelemente enthält, aber auch Action-Einlagen. Ich meine, dass sich die Aufgaben im Spiel überspringen lassen. Wer sich also von den Schleich- oder Sprungaufgaben überfordert fühlt, kann diese nach meinem Eindruck (ich habe immer nur kurz zugesehen) überspringen. Dann bleibt immer noch genügend Adventure übrig. Graphisch ist das Spiel top. Aber es hat eine Gamepad-Steuerung, denn es ist eine Cross-Platform-Entwicklung (PC/Konsole). Und jetzt sind wir wieder beim Strukturkonservatismus vieler Adventurefreunde: 3D-Graphik? Lieber nicht. Gamepad? Lieber nicht. Das Spiel hat sich nach meinem Eindruck auch nicht gut verkauft. Es gibt zu wenig junge Käufer und die alten Adventurefreunde kaufen nicht, weil es nicht 2,5D-Graphik mit Maussteuerung ist.
Und deshalb bleibe ich dabei: Für more of the same wie von mir aus Black Mirror III gibt es aus Sicht der Verlage nicht (mehr) genügend Käufer, für more of the same mit leichten Neuerungen gibt es nicht genügend alte Adventure-Freunde, die die Neuerungen mitmachen. Und das ist der Grund, warum die meisten Adventureveröffentlichungen so billig aussehen, wie sie in der Entwicklung wohl auch sind. Wenn Du schreibst, dass Fan-Adventures sogar einen besseren Eindruck machen, als die zum Verkauf angebotenen (kann ich nicht nachprüfen), dann ist das mit Sicherheit der Tatsache geschuldet, dass diese Entwicklungen keinem Kosten-Nutzen-Kalkül folgen müssen.
Eine Entscheidung zu treffen ist ein Massenmord an Möglichkeiten.