Ich habe den ersten Teil durch, mit dem zweiten begonnen. Spielerisch scheinen sie sich nicht zu unterscheiden. Deshalb dürfte das Fazit für den ersten Teil auch den zweiten beschreiben:
Stärken:
Der erste Teil besticht atmosphärisch. Die Anleihen bei Films noirs sind unübersehbar. Das beginnt mit dem einsamen Detektiv, der zu Beginn des Spiels in seinem abgewarzten Büro herumsitzt, und zieht sich durch die harten Hell-Dunkel-Kontraste in den Umgebungsgraphiken. Die Spielgraphik ist farblich reduziert und hat einen deutlichen Sepia-Stich. Sie ist sehr stylisch in einer merkwürdigen Mischung aus modern und alt. Für meinen Geschmack hätte man ein wenig weniger Weichzeichner einsetzen dürfen. Die Zwischenfilme sind komplett schwarzweiß. Mir gefällt das. Die englische, nicht lokalisierte Sprachausgabe ist solide und gut zu verstehen. Die deutschen Untertitel sind bis auf eine (sinnentstellende) Ausnahme am Ende sehr gut übersetzt. Die Geschichte ist zwar klischeebeladen, weiß aber zu unterhalten und ist solide erzählt.
Schwächen:
Das Spiel ist kurz und es treten nicht viele Figuren auf. Auch die Zahl der Schauplätze ist sehr begrenzt. Die überschaubare Figurenkonstellation sorgt dafür, daß man spätestens nach der Hälfte der Spielzeit weiß, worauf der Fall hinausläuft. Die Musik muss man mögen oder leise stellen. In der Voreinstellung ertränkt sie die Sprachausgabe. Freies Speichern gibt es nicht, das Spiel setzt beim Starten da wieder ein, wo man aufgehört hat. Die Spieleinstellungen und der Spielfortschritt werden in das Benutzerprofil gespeichert (mag ich gar nicht) und bei der Deinstallation nicht mit entfernt (darf gar nicht passieren). Dafür ist das Spiel weder steam-verdongelt, noch muss nach der Installation der Datenträger im Laufwerk liegen. Das finde ich löblich.
Die Portierung der Steuerung hat überhaupt nicht funktioniert. Das Spiel erlaubt sich sowieso unnötige Manierismen, wenn man z.B. einen Brief aus einem Kuvert ziehen muss, indem man die Maus bei gedrückter Maustaste nach oben zieht. Das wird dann ganz schlimm, wenn man die Wählscheibe eines Retro-Telefons drehen muss. Bei mir wollte die Maschine die Drehbewegung der Maus nicht richtig interpretieren, so dass ich zum Wählen einer sechsstelligen Nummer 40 Minuten gebraucht habe. An der Stelle wollte ich das Spiel schon abbrechen. Meines Erachtens hätte eine klassische Point-and-Click-Steuerung oder eine Aktionstaste (siehe Adam Venture) Vieles verbessert. Die Telefonnummer hätte ich z.B. gerne einfach mit der Tastatur eingegeben und das Spiel hätte sie dann selbstständig gewählt.
Die Rätsel/Aufgaben sind Geschmackssache. Das Spiel enthält eine Menge Logik-/Kombinations-/Knobelrätsel, die in einem je eigenen Rätselbildschirm gelöst werden müssen. Das erinnert mich an Wimmelbild-Adventures. Viele Rätsel sind zudem Wimmelbild-Adventure-Standard. Ich habe sie bei den Spielen, die meine Kinder in diesem Genre gespielt haben, schon dutzendfach gesehen. Deshalb geht die Preisgestaltung, die sich an solchen Casual Games ausrichtet, meines Erachtens auch in Ordnung. Ich würde Red Johnson als Edel-Casual-Game-Adventure bezeichnen. Mir haben nicht alle dieser Rätsel gefallen, weil einige in Arbeit ausarten. Beispiel: Auf einem Koffer sind Reisesticker mit Zahlen aufgeklebt. Ein Brief beschreibt eine Reise. Aufgabe des Spielers ist, die Sticker zu finden, die Zahlen auf den Stickern zu addieren und das Ergebnis als Code für das Zahlenschloss des Koffers zu benutzen. Mir war der Lösungsweg sofort klar, aber das Suchen der Sticker (Wimmelbildaufgabe) und Addieren zu blöde. Die Lösung habe ich nachgeschlagen. Es gibt noch zwei weitere Rätsel, die mir aus ähnlichen Gründen nicht gefallen haben.
Neben diesen Rätseln gibt es QTEs (Quick Time Events) in den Zwischenfilmen. Das untersucht Red z.B. einen Spülkasten und wird dabei von einem Penner überrascht, der ihn angreift. Unten im Bild wird eingeblendet, in welche Richtung die Maus zu verschieben ist, damit Red dem Angriff ausweicht. Ist man nicht schnell genug, beginnt der Zwischenfilm von vorn. Von mir aus hätte man sich diese QTEs, die spielerisch nichts zu bieten haben, einfach sparen können. Sie stellen keine Schwierigkeit dar, lenken aber von den Filmen ab. An einer Stelle mochte das Spiel meine Mausbewegung zudem mehrfach nicht auswerten.
Schließlich bietet das Spiel Gesprächsrätsel, die in zwei Geschmacksrichtungen vorkommen. Zum einen befragt Red Johnson Verdächtige und Zeugen. In diesen Gesprächen geht es darum, durch das Wählen der richtigen Optionen oder der richtigen Beweise, die notwendigen Informationen zu bekommen. Ansonsten muss man das Gespräch wiederholen. Das Gleiche gilt für die zweite Art Gespräch. Das sind Selbstgespräche, in denen Red Erkenntnisse sichert. Diese konstatieren in der Regel das Offensichtliche, sind aber notwendig, um weitere Handlungsoptionen zu bekommen. Ungewohnt: die Antworten liegen auf den Pfeiltasten der Tastatur und die Taste, die bei einem Thema die zustimmende Option gewesen ist, kann beim nächsten Thema genau das Gegenteil sein. Deshalb muss man immer aufpassen, nicht aus Versehen die falsche Taste zu drücken. Das hätte man besser machen müssen.
Abgerundet wird das Aufgabenspektrum durch einen Analysator/Komparator in Reds Büro. Das erinnert an die Beweismitteluntersuchung in den Law&Order/Criminal Intent-Spielen. Ähnlich wie in den genannten Vorbildern ist am Ende zwar kein Gerichtsverfahren zu führen, aber eine Anklageschrift auszufüllen, die im Multiple-Choice-Verfahren erstellt wird und den Fall noch einmal zusammenfasst. An dieser Stelle kommt der genannte Übersetzungsfehler vor, weil die Anklageschrift im Deutschen vorschlägt, der Täter habe eine Wohnung in Gefängniskleidung verlassen (also sie angehabt), im Englischen steht hier die richtige Option, er habe sie mit Gefängniskleidung (also sie dabeigehabt) verlassen.
Inventarrätsel gibt es (leider) nicht.
Legt man eine Amazon-Bewertung zugrunde, gebe ich dem Spiel eine Basisnote von 3/5 Sternen. Es ist solide, ohne in irgendeiner Weise herauszustechen. Es ist kurz, aber preislich entsprechend gestaltet. Deswegen ist das in Ordnung. Wegen der verkorksten Steuerung und der unsauberen Deinstallationsroutine ziehe ich aber einen Stern ab und komme auf 2/5 Sternen (eigentlich anderthalb). Bei einer Prozentwertung hätte ich wohl im 60%-Bereich angesetzt und wegen der Steuerung 10% abgezogen. Dann bleibt eine Wertung zwischen 50% und 59% übrig, sagen wir 55%

Wie schon woanders geschrieben: Wer eine Konsole hat, sollte die Konsolenversion erwerben und hat den Ärger mit der Steuerung nicht.